Freie Radikale sind hochreaktive Moleküle, die im Körper als Nebenprodukte normaler Stoffwechselprozesse entstehen, insbesondere während der Energieproduktion in den Mitochondrien. Sie besitzen ein oder mehrere ungepaarte Elektronen, was sie extrem instabil macht und dazu führt, dass sie Elektronen andere Moleküle binden, um wieder stabil zu werden. Dieser Prozess wird als Oxidation bezeichnet und kann Schaden an den betroffenen Molekülen anrichten, darunter DNA, Proteine und Lipide. Wenn freien Radikalen nicht ausreichende Mengen an Antioxidantien gegenüberstehen, kann dies zu einem Zustand führen, der als oxidativer Stress bekannt ist.
Im Kontext von Longevity spielt das Verständnis freier Radikale eine zentrale Rolle, da ihre übermäßige Präsenz und Aktivität im Körper als eine der Hauptursachen für Zellschäden und damit für das Altern selbst gelten. Freie Radikale greifen die Zellmembranen an, schädigen die DNA und beeinträchtigen die Funktion von Mitochondrien, was zu einer beschleunigten Zellalterung führt. Dies hat Auswirkungen auf verschiedene Organe und Systeme im Körper und erhöht das Risiko für altersbedingte Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Neurodegeneration (z. B. Alzheimer und Parkinson) und Krebs.
Die Longevity-Forschung hat sich zum Ziel gesetzt, Wege zu finden, die schädlichen Auswirkungen freier Radikale zu minimieren. Ein zentraler Ansatz ist die Förderung von Antioxidantien, die freie Radikale neutralisieren, indem sie ihnen Elektronen zur Verfügung stellen, ohne dabei selbst reaktiv zu werden. Der Körper produziert eigene Antioxidantien, wie beispielsweise Glutathion. Aber auch externe Quellen von Antioxidantien, insbesondere aus der Ernährung, spielen eine wichtige Rolle. Lebensmittel wie Beeren, grünes Blattgemüse, Nüsse und Samen sind reich an Antioxidantien wie Vitamin C, Vitamin E, Beta-Carotin und Flavonoiden, die helfen können.
Ein weiteres Forschungsgebiet im Bereich Longevity betrifft die Rolle der Mitochondrien bei der Produktion freier Radikale. Mitochondrien sind die Hauptquelle für reaktive Sauerstoffspezies (ROS), eine spezifische Form freier Radikale, die während der Energieproduktion entstehen. Mit zunehmendem Alter verlieren Mitochondrien an Effizienz, was zu einer erhöhten Produktion von ROS führt. Die Verbesserung der mitochondrialen Funktion, etwa durch Lebensstilinterventionen wie regelmäßige Bewegung oder durch Nahrungsergänzungsmittel wie Coenzym Q10, das die mitochondriale Effizienz unterstützen kann, gilt als potenzielle Strategie, um die Anzahl freier Radikale zu reduzieren und den Alterungsprozess zu verlangsamen.
Freie Radikale haben jedoch nicht ausschließlich negative Auswirkungen. Sie spielen auch eine Rolle in wichtigen biologischen Prozessen, wie der Signalübertragung und der Immunantwort. In moderaten Mengen sind sie für den Körper notwendig, um auf Infektionen zu reagieren und schädliche Mikroorganismen zu bekämpfen. Das Problem entsteht, wenn die Balance zwischen der Produktion freier Radikale und der Fähigkeit des Körpers, sie zu neutralisieren, gestört ist. Daher geht es in der Longevity-Forschung nicht darum, freie Radikale vollständig zu eliminieren, sondern ein Gleichgewicht zwischen der Produktion freier Radikale und der antioxidativen Abwehr zu erreichen.
Auch Lebensstilfaktoren wie Rauchen, Alkoholkonsum, übermäßiger Stress und Umweltverschmutzung erhöhen die Produktion freier Radikale und verstärken den oxidativen Stress. Durch die Vermeidung dieser Risikofaktoren und die Anpassung des Lebensstils – etwa durch eine nährstoffreiche Ernährung, regelmäßige Bewegung und ausreichend Schlaf – lässt sich das Niveau freier Radikale im Körper senken. Auch Techniken wie intermittierendes Fasten oder Kalorienrestriktion, die sich positiv auf die Zellregeneration auswirken, sind vielversprechende Ansätze, um die Auswirkungen freier Radikale auf den Alterungsprozess zu reduzieren.